top of page

12 Monate - 12 Gedichte

Lieblingsgedichte der
DAAD-Lektor*innen in Italien

03-Marchio-ParljamoTedesco-MarchioCombinato.png

Januar 2023

Der Werwolf

Christian Morgenstern, 1905

Ein Werwolf eines Nachts entwich

von Weib und Kind und sich begab

an eines Dorfschullehrers Grab

und bat ihn: Bitte, beuge mich!

 

Der Dorfschulmeister stieg hinauf

auf seines Blechschilds Messingknauf

und sprach zum Wolf, der seine Pfoten

geduldig kreuzte vor dem Toten:

 

„Der Werwolf“ – sprach der gute Mann,

„des Weswolfs, Genitiv sodann,

dem Wemwolf, Dativ, wie man’s nennt,

den Wenwolf, – damit hat’s ein End.“

 

Dem Werwolf schmeichelten die Fälle,

er rollte seine Augenbälle.

Indessen, bat er, füge doch

zur Einzahl auch die Mehrzahl noch!

 

Der Dorfschulmeister aber mußte

gestehn, daß er von ihr nichts wußte.

Zwar Wölfe gäb’s in großer Schar,

doch „Wer“ gäb’s nur im Singular.

 

Der Wolf erhob sich tränenblind –

er hatte ja doch Weib und Kind!!

Doch da er kein Gelehrter eben,

so schied er dankend und ergeben. 

Bild: M. Greco

Bio:

Christian Morgenstern (06.05.1871-31.03.1914) war ein deutscher Dichter, Schriftsteller und Übersetzer. Besondere Bekanntheit erreichte seine komische Lyrik. 

IMG_20230131_225706.jpg

November 2022

Wilhelm Busch, 1874

Sie stritten sich beim Wein herum, 

Was das nun wieder wäre; 

Das mit dem Darwin wär gar zu dumm

Und wider die menschliche Ehre. 

 

Sie tranken manchen Humpen aus,
Sie stolperten aus den Türen,
Sie grunzten vernehmlich und kamen zu Haus
Gekrochen auf allen vieren.

 

 

 

Bio: 

Wilhelm Busch (1832-1908) war einer der bedeutendsten humoristischen Dichter und Zeichner Deutschlands. 

IMG_20131008_124330.jpg
IMG_6638.JPG

Dezember 2022

Zsazsa von Ammon, 2021

Ich habe manchmal 

Durch dein Fenster die Sterne gesehen

Oder die uralten Farben des Morgens

Die so unbestreitbar wirklich sind

Wie deine Hände, die einen Apfel schneiden

Wie dein Blick, der sich hebt oder senkt

Wie dein Mut, der sinkt oder erwacht

Wie die schmale Tür zum Garten

Durch die wir beide traten

Nicht um zu siegen
Um eingelassen zu sein in die Wirklichkeit des andern

 

 

 

Bio: 

Bio: geboren in Karlsruhe, nach Arbeit als Regieassistenz am freien Theater in Wien, Gründung und Bewirtschaftung der Bio-Hofgemeinschaft Vorderhaslach, Ausbildung zur Sortiments-Buchhändlerin und Geschäftsführung einer Museums-Buchhandlung Drehbuch-Studium an der ifs internationale filmschule köln. Sie lebt und schreibt in Köln, Fürth und Neapel.

IMG_20131008_124330.jpg
1383425_10151935089503851_1727719317_n.jpg

September 2022

Man

siehts

Nora Gomringer, 2020

Die Messe biegt in ihre 40ste Minute,

als gewandelt wird. 

Das Wasser in Wein zu Blut, 

das Brot als Hostie zu Leib. 

Glockengeklingel, Ministrant tritt immer hinten auf die Kutte, 

  wenn er sich erhebt.

Da ist viel Leib am Werk. 

Jesus, ein Fremder an einem Holzkreuz, 

hat einen schlimmen Schnitt in der Seite. 

Seit tausenden Jahren verbindet den keiner. 

Das ist schon fahrlässig.

Ein Mann wie ein Briefkasten dadurch. 

Kummerkasten aus Holz mit Schlitz. 

Gut, dass hier alles gewandelt wird. 

Werden Sorgen Gesänge. 

Gottesanbieterin

© 2020 Roland & Quist 

voland-quist.de 

instagram.com/volandquist/

facebook.com/VerlagVolandundQuist

 

nora-gomringer.de

 

Foto: Nora Gomringer

mit freundlicher Genehmigung der Künstlerin.

Si vede

 

La messa svolta nel suo 40° minuto,

quando si converte.

L’acqua in vino nel sangue,

il pane come ostia nel corpo.

Tintinnio di campane, il chierichetto calpesta sempre la parte posteriore della tunica quando si alza.

C’è molto corpo in gioco.

Gesù, un estraneo su una croce di legno,

ha un brutto taglio nel fianco.

Nessuno lo ha medicato per migliaia di anni.

Una bella negligenza.

Un uomo che diventa così una cassetta delle lettere.

Una cassetta dei reclami in legno con fessura.

È un bene che tutto si converta qui.

Le preoccupazioni diventano canti.

 

Aus: Nora Gomringer, Gottesanbieterin, Voland & Quist, 2020.

Übersetzung von Giuseppe Sofo. 

 

https://www.youtube.com/user/NGomringer/videos

Bio: 

Bei der Deutschschweizerin Nora Gomringer (*1980) zeichnet sich die Arbeit am Wort als ein performativer Akt in unterschiedlichen Räumen und Medien aus: Musik und visueller Spieltrieb sind integrale Teile ihres Werks, was man in ihren Lesungen, Bücher-CD-Beigaben, Videos und Poesiefilmen zu sehen und zu hören bekommt, neben dem klassischen Buchformat. Für Ihre Gedichte und Prosa wurde sie mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet (u.a. Bachmann Preis, Ringelnatz Preis, Jacob-Grimm-Preis).  

IMG_20131008_124330.jpg
IMG_20220918_230904_482.jpg

Oktober 2022

Jammertal

Heinrich Heine, 1857

Der Nachtwind durch die Luken pfeift,
Und auf dem Dachstublager
Zwei arme Seelen gebettet sind;
Sie schauen so blaß und mager.

Die eine arme Seele spricht:
Umschling mich mit deinen Armen,
An meinen Mund drück fest deinen Mund,
Ich will an dir erwarmen.

Die andere arme Seele spricht:
Wenn ich dein Auge sehe,
Verschwindet mein Elend, der Hunger, der Frost
Und all mein Erdenwehe.

Sie küßten sich viel, sie weinten noch mehr,
Sie drückten sich seufzend die Hände,
Sie lachten manchmal und sangen sogar,
Und sie verstummten am Ende.

Am Morgen kam der Kommissär,
Und mit ihm kam ein braver
Chirurgus, welcher konstatiert
Den Tod der beiden Kadaver.

Die strenge Wittrung, erklärte er,
Mit Magenleere vereinigt,
Hat beider Ableben verursacht, sie hat
Zum mindesten solches beschleunigt.

Wenn Fröste eintreten, setzt' er hinzu,
Sei höchst notwendig Verwahrung
Durch wollene Decken; er empfahl
Gleichfalls gesunde Nahrung.

 

 

Bio: 

Christian Johann Heinrich Heine (1797-1856) war einer der wichtigsten deutschen Schriftsteller des 19. Jahrhunderts und gilt als einer der letzten Vertreter der Romantik und gleichzeitig als deren Überwinder. 

IMG_20131008_124330.jpg
IMG_0205 (2).JPG

Juli 2022

Die Faulheit

Gotthold Ephraim Lessing, 1771

Fleiß und Arbeit lob’ ich nicht.

Fleiß und Arbeit lob’ ein Bauer.

Ja, der Bauer selber spricht,

Fleiß und Arbeit wird ihm sauer.

Faul zu sein, sei meine Pflicht;

diese Pflicht ermüdet nicht.

 

Bruder, lass das Buch voll Staub.

Willst du länger mit ihm wachen?

Morgen bist du selber Staub!

Lass uns faul in allen Sachen,

nur nicht faul zu Lieb’ und Wein,

nur nicht faul zur Faulheit sein.

 

Bio: 

Gotthold Ephraim Lessing (* 22.01.1729, † 15.02.1781) war einer der bedeutendsten Dichter, Denker und Dramatiker der Aufklärung. 

IMG_20131008_124330.jpg
IMG_20220722_233409.jpg

August 2022

Ausschnitt aus 

Ballade von der Unzulänglichkeit menschlichen Planens

Bertolt Brecht, 1928

Der Mensch lebt durch den Kopf.
Sein Kopf reicht ihm nicht aus.
Versuch es nur, von deinem Kopf
Lebt höchstens eine Laus.
Denn für dieses Leben
Ist der Mensch nicht schlau genug.
Niemals merkt er eben
Diesen Lug und Trug.

Ja, mach nur einen Plan!
Sei nur ein großes Licht!
Und mach dann noch’nen zweiten Plan
Gehn tun sie beide nicht.
Denn für dieses Leben
Ist der Mensch nicht schlecht genug.
Doch sein höhres Streben
Ist ein schöner Zug.

Ja, renn nur nach dem Glück
Doch renne nicht zu sehr
Denn alle rennen nach dem Glück
Das Glück rennt hinterher.
Denn für dieses Leben
Ist der Mensch nicht anspruchslos genug.
Drum ist all sein Streben
Nur ein Selbstbetrug.

[...]

https://www.lyrikline.org/de/gedichte/ballade-von-der-unzulaenglichkeit-menschlichen-planens-770

 

 

Bio: 

Bertolt Brecht, geboren 1898 in Augsburg, gestorben 1956 in Berlin, ist einer der einflussreichsten deutschsprachigen Autoren des 20. Jahrhunderts. Berühmt wurde er weit über die Landesgrenzen hinaus mit seiner Lyrik und  vor allem mit seiner Theatertheorie. Mit seinen Theaterstücken wollte er zur freiheitlichen Umgestaltung der Gesellschaft anregen. 

Seine Werke wurden schon zu Beginn der Nazi-Zeit von den Nationalsozialisten verbrannt. Nach Jahren im Exil kehrte er 1948 nach Deutschland zurück, wo er in Berlin mit seiner Frau Helene Weigel das Berliner Ensemble gründete, ein berühmtes Theaterhaus in Berlin, das bis heute bespielt wird.

IMG_20131008_124330.jpg
IMG20220814141211.jpg

Juni 2022

Ein Nagel saß in einem Stück Holz

Joachim Ringelnatz, 1912

Ein Nagel saß in einem Stück Holz.

Der war auf seine Gattin sehr stolz.

Die trug eine goldene Haube

Und war eine Messingschraube.

 

Sie war etwas locker und etwas verschraubt,

Sowohl in der Liebe, als auch überhaupt.

Sie liebte ein Häkchen und traf sich mit ihm

In einem Astloch. Sie wurden intim.

 

Kurz, eines Tages entfernten sie sich

Und ließen den armen Nagel im Stich.

Der arme Nagel bog sich vor Schmerz.

 

Noch niemals hatte sein eisernes Herz

So bittere Leiden gekostet.

Bald war er beinah verrostet.

 

Da aber kehrte sein früheres Glück,

Die alte Schraube, wieder zurück.

Sie glänzte übers ganze Gesicht.

Ja, alte Liebe, die rostet nicht!

https://www.youtube.com/watch?v=eF6dhekg4ro

 

Bio: 

Joachim Ringelnatz wurde am 7. August 1883 in Wurzen als Hans Gustav Bötticher geboren. Er war Schriftstellen, Kabarettist und Maler. Seine humoristischen Gedichte bringen seit Generationen viele Menschen zum Lachen. Er starb am 17. November 1934 in Berlin.

IMG_20131008_124330.jpg
nail-453782_1280.jpg

Mai 2022

An Anna Blume

Kurt Schwitters, 1919

Oh Du, Geliebte meiner 27 Sinne, ich liebe Dir!

Du, Deiner, Dich Dir, ich Dir, Du mir, ---- wir?

Das gehört beiläufig nicht hierher!

Wer bist Du, ungezähltes Frauenzimmer, Du bist, bist Du?

Die Leute sagen, Du wärest.

Laß sie sagen, sie wissen nicht, wie der Kirchturm steht.

Du trägst den Hut auf Deinen Füßen und wanderst auf die Hände,

Auf den Händen wanderst Du.

Halloh, Deine roten Kleider, in weiße Falten zersägt,

Rot liebe ich Anna Blume, rot liebe ich Dir.

Du, Deiner, Dich Dir, ich Dir, Du mir, ----- wir?

Das gehört beiläufig in die kalte Glut!

Anna Blume, rote Anna Blume, wie sagen die Leute?

Preisfrage:

1. Anna Blume hat ein Vogel,

2. Anna Blume ist rot.

3. Welche Farbe hat der Vogel?

Blau ist die Farbe Deines gelben Haares,

Rot ist die Farbe Deines grünen Vogels.

Du schlichtes Mädchen im Alltagskleid,

Du liebes grünes Tier, ich liebe Dir!

Du Deiner Dich Dir, ich Dir, Du mir, ---- wir!

Das gehört beiläufig in die ---- Glutenkiste.

Anna Blume, Anna, A----N----N----A!

Ich träufle Deinen Namen.

Dein Name tropft wie weiches Rindertalg.

Weißt Du es Anna, weißt Du es schon,

Man kann Dich auch von hinten lesen.

Und Du, Du Herrlichste von allen,

Du bist von hinten, wie von vorne:

A------N------N------A.

Rindertalg träufelt STREICHELN über meinen Rücken.

Anna Blume,

Du tropfes Tier,

Ich-------liebe-------Dir!

https://www.youtube.com/watch?v=U2TIVTHzFT0

 

Bio: 

Kurt Schwitters, geboren am 20.06.1887 in Hannover, war ein breit talentierter deutscher Künstler, der sowohl in verschiedenen Stilrichtungen (Dadaismus, Surrealismus, Konstruktivismus) als auch Metiers und Kunstgattungen tätig war. Schwitters lebte und arbeitete u.a. in den Niederlanden, Norwegen und Großbritannien. Er gilt als einer der bedeutendsten Künstler des frühen 20. Jahrhunderts und starb 1948 in Kendal, Großbritannien.

IMG_20131008_124330.jpg
20220522_192627-2.jpg

April 2022

IV. Was mir bleibet

Franco Biondi, 1979

mein gastarbeiterdeutsch ist eng,

wie das ausländergesetz und tief

wie die ausbeutung

mein gastarbeiterdeutsch ist ein tiefdruck

von Kiel bis Mazara del Vallo

und wiegt

wie notierung der DM

mein gastarbeiterdeutsch ist ein stempel geworden

darauf steht:

Made in Westgermany

mein gastarbeiterdeutsch hat sein nest

in den furchen meines gehirns aufgebaut

hat als wiege meine träume gewogen

hat wie eine schmiede hoffnungen geformt

mein gastarbeiterdeutsch ist eine hülse -

innendrin

nicht nur gastarbeiterdeutsch

 

aus der Sammlung Nicht nur Gastarbeiterdeutsch,

mit freundlicher Genehmigung des Autors

 

Bio:

Franco Biondi ist 1947 in Forlì geboren und 1965 als Gastarbeiter nach Deutschland zugewandert. Bis 1973 war er unter anderem als Elektroschweißer und Chemiearbeiter in Fabriken der Mainzer Umgebung beschäftigt. Nach der Erlangung der mittleren Reife in der Abendschule in Mainz und dem Besuch des Hessen-Kollegs in Wiesbaden, studierte er Psychologie in Frankfurt. Er publiziert seit den siebziger Jahren literarische Texte in deutscher und italienischer Sprache. 1987 erhielt er zusammen mit Gino Chiellino den Adalbert-von-Chamisso-Preis.

IMG_20131008_124330.jpg
thumbnail_face-4877524.jpg

März 2022

Kein Kinderlied

Mascha Kaléko, 1964

Wohin ich immer reise, 

Ich fahr nach Nirgendland. 

Die Koffer voll von Sehnsucht, 

Die Hände voll von Tand. 

So einsam wie der Wüstenwind. 

So heimatlos wie Sand: 

Wohin ich immer reise, 

Ich komm nach Nirgendland. 

 

Die Wälder sind verschwunden, 

Die Häuser sind verbrannt. 

Hab keinen mehr gefunden. 

Hat keiner mich erkannt. 

Und als der fremde Vogel schrie, 

Bin ich davongerannt. 

Wohin ich immer reise, 

Ich komm nach Nirgendland. 

 

Die paar leuchtenden Jahre

© 2003 dtv Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, München 

Suchergebnis | dtv

 

Bio:

Mascha Kaléko, geboren am 07.06.1907 in Chrzanów, Galizien (damals Österreich-Ungarn) als Golda Malka Aufen und gestorben am 21.01.1975 in Zürich, Schweiz, wird als Dichterin der Neuen Sachlichkeit zugerechnet.

Einige ihrer Gedichte, darunter auch dieses, wurden von der Sängerin Dota Kehr vertont. 

IMG_20131008_124330.jpg

Februar 2022

Karawane

Hugo Ball, 1917

Hugo Ball Karawane-4.png

Bio:

Geboren am 22.02.1886 (also morgen vor 136 Jahren!) in Pirmasens im Südwesten Deutschlands war Hugo Ball Autor, Biograf und Erfinder des Lautgedichtes und dadurch einer der Begründer der dadaistischen Kunstrichtung und Bewegung.

Er lebte und arbeitete ab 1915 in der Schweiz und zeitweise auch in Italien.

Nach seiner Abwendung vom Dadaismus verfasste er u.a. noch eine Biografie über seinen engen Freund Hermann Hesse und starb 1927 in der Schweiz.

Januar 2022

Der Panther

Im Jardin des Plantes, Paris

Rainer Maria Rilke, 1902/1903

Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
so müd geworden, daß er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.

Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein großer Wille steht.

Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
sich lautlos auf –. Dann geht ein Bild hinein,
geht durch der Glieder angespannte Stille –
und hört im Herzen auf zu sein.

Bio:

Rainer Maria Rilke, geboren am 04.12.1875 in Prag (damals Österreich-Ungarn) als René Karl Wilhelm Johann Josef Maria Rilke und gestorben am 29.12.1926 in Valmont, Schweiz, gilt als einer der bedeutendsten Lyriker der Moderne. 

Er schrieb auf deutscher und französischer Sprache und gilt als Schöpfer des Dinggedichts. 

WhatsApp Image 2022-01-18 at 12.30.30.jpeg

Januar 2022

Der Panther

Im Jardin des Plantes, Paris

Rainer Maria Rilke, 1902/1903

Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
so müd geworden, daß er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.

Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein großer Wille steht.

Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
sich lautlos auf –. Dann geht ein Bild hinein,
geht durch der Glieder angespannte Stille –
und hört im Herzen auf zu sein.

Bio:

Rainer Maria Rilke, geboren am 04.12.1875 in Prag (damals Österreich-Ungarn) als René Karl Wilhelm Johann Josef Maria Rilke und gestorben am 29.12.1926 in Valmont, Schweiz, gilt als einer der bedeutendsten Lyriker der Moderne. 

Er schrieb auf deutscher und französischer Sprache und gilt als Schöpfer des Dinggedichts. 

WhatsApp Image 2022-01-18 at 12.30.30.jpeg
bottom of page